Arnold Keyserling, Essay, Kulturmühle Lützelflüh 2001

…. dass die für den Fortschritt der Entwicklung der Menschheit nur eine Episode sein würde – die wichtigste Umwälzung würde seiner Prophezeiung nach aus den Alpen kommen …

Vor hundert Jahren, im Februar 1901, gab es in Moskau eine Einladung zu Ehren von Leo Tolstoi. Das Gespräch drehte sich um die erwartete kommende Revolution gegen die traditionelle Gesellschaftsordnung.
Tolstoi stimmte zu, dass die soziale Revolution der nächste Schritt sein würde, doch er erklärte dass die für den Fortschritt der Entwicklung der Menschheit nur eine Episode sein würde – die wichtigste Umwälzung würde seiner Prophezeiung nach aus den Alpen kommen, nämlich aus der Schweiz, in der ja viele Utopisten am Mons Sacrum eine Heimat gefunden hatten und später die Eranostagungen in Ancona unter de Initiative von G.G. Jung, Eliade und anderen eine Versöhnung der geisteswissenschaftlichen Tradition und den Naturwissenschaften vorbereitete.
Mit der Initiative von Thomas Bertschi und Paul Christ wurde nun der Ansatz der neuen Zeit aus der Verfälschung durch ideologische New Age Denker gelöst, und in Nachfolge von Kükelhaus und Otto Schärli in seine ursprüngliche Intention gebracht: Die Leiblichkeit des Menschen birgt in sich den Keim eines kreativen Lebens, wie es der ungarische Psychologe Csikszentmihalyi in seinem Begriff des „Flow“ bekannt gemacht hat. Wenn Menschen ihre Aufgabe verwirklichen kommen sie in die Freude, und überwinden die schale Welt der Bedürfnisbefriedigung und der Habgier.
Das Forum schloss an die Tradition der australischen Aborigines an – die Regenbogenschlange als Vereinigung von himmlischen Regenbogen und der Urkraft der Schlange ermöglicht dem Menschen seine Träume in Intentionen zu verwandeln, und damit seinen Weg im „Flow“ zu finden, der sowohl ihn als auch die kleine Gemeinschaft der Strebenden der Trauer der Sinnlosigkeit entzieht.
Otto Schärli zeigte, dass das falsche Körperverständnis zusammen mit der übertriebenen Technisierung und falschen Globalisierung im Sinne des Kapitalismus in die Sinnkrise führte – wir müssen die falsche Körperlichkeit des Sportes und der Fitnessbewegung überwinden, und anstelle der Körperbewunderung die Leiblichkeit als Gliedhaftigkeit im Kosmos verstehen. Der Körper des werdenden Kindes enthält vor der Geburt und noch die ersten Lebensjahre, solange die Sinnestore geöffnet sind, den Zugang zum Lebenssinn der nicht verschüttet ist sondern vergessen ist.
Thomas Bertschi als Leiter des Projekts ist es in der Kulturmühle und im ganzen Emmental gelungen, freie schöpferische Künstler, wie vor allem den Lichtkünstler Alfred Wolski dazu zu bringen, als allgemein menschliches Anliegen zu formulieren, zu zeigen und darzustellen. In Zusammenarbeit mit vielen vorchristlichen Traditionen und unzähligen Darstellungen des Regenbogens und seiner Farben, Fahnen und Bildern scheint sich ein Bild von der neuen kreativen Gesellschaft Tolstois abzuzeichnen, wobei die Atmosphäre der Kulturmühle und die vielen Gespräche zwischen den Beteiligten und Besuchern einen Weg der Hoffnung aufzeigten.
Otto Schärli zeigte in seinen Häusern und Bauten wie sich die Wände sowohl als Grenzen als auch als Vermittler in der Architektur darstellen, sodass die technologisch – elektronische Entmenschlichung dahingehend gesteuert wird, dass jeder im Bekenntnis nur seiner Aufgabe und in der kreativen Gemeinsamkeit das ökonomische Anliegen einer Weltkultur verwirklichen und fördern kann.
Bernhard Schaer hatte in seiner Tantragalerie in Interlaken zum ersten Male zahlreiche Pioniere und Künstler zusammengebracht, wie den Dalai Lama, auch hier wieder im Gespräch, Irina Tweedy, Sheldrake und Vertreter des Bhutto – Tanzes. Viele Gemeinden des Emmentals beteiligten sich, sodass der Regenbogen als Ursymbol der Versöhnung von Himmel und Erde allen bewusst wurde, und die Hoffnung auf die neue Welt der Vorstellung der unausweichlichen Katastrophe den Garaus machen.